Autor: Stefan Kundigraber
Die Organisation der "International Class" wird von einer der vier Universitäten, die Lehramtsstudenten aus dem Ausland aufnehmen, durchgeführt. In meinem Fall war "Thomas More Kempen" für die Ausrichtung des Semesters zuständig. Nächstes Jahr wird die HUB Brüssel zuständig sein. Die Universitäten vereinen ihre Studierenden, um eine International Class von bis zu 35 Studierenden zusammenzustellen.
Teilnehmende Universitäten:
Der internationale Austausch unter den Studierenden findet dadurch auf einem sehr intensivem Niveau statt, allerdings kann ich dadurch im Nachhinhein nicht wirklich über die Vorgehensweisen in belgischen Universitäten Auskunft geben.
Nachdem der Campus der "Thomas More Kempen", Ausrichter der diesjährigen "International Class", in einem 2000-Seelen-Städtchen im Osten von Antwerpen liegt, verbrachten wir nur einen Monat dort, um anschließend die restlichen Kurse in den Räumlichkeiten der "K. U. Leuven" zu absolvieren. Leuven ist DIE Studentenstadt in Belgien und wird ihrem Ruf auch . Abgesehen davon, dass es jede Menge Freizeitmöglichkeiten gibt, ist auch das Leuvener Nachtleben berüchtigt. Nach den sehr ruhigen Wochen zu Beginn in den Gastfamilien, gab uns Leuven danach die Gelegenheit, ein ordentliches Nachtleben auszukosten.
Durch die Organisation in drei Städten hatte ich auch drei unterschiedliche Formen der Unterkunft:
Tatsächlich hat uns die Familie mit drei Mahlzeiten täglich bzw. Tagesausflügen verwöhnt. Wir (ich und ein Kollege von den Faröer Inseln) hatten seperate Zimmer in einem außerordentlich schönen Haus inkl. Putzfrau. Das war allerdings reiner Zufall, da in anderen Gastfamilien tatsächlich nur die vereinbarten Leistungen vollzogen wurden und die Studierenden sich teilweise auch Zimmer teilen mussten.
Das Studentenheim ist in einem bescheidenen Zustand. 3 Duschen pro Etage (bis zu 15 Studierende) waren eindeutig zu wenig. Die gemeinsame Küchennutzung hat auch nicht immer funktioniert. Ich konnte einmal einen Obdachlosen unter einer Treppe sehen. Der erste Eindruck war katastrophal, allerdings konnte ich mich nach einer Eingewöhnungsphase selbst in diesem Haus sehr wohl fühlen. Warum dort allerdings € 300 Kaution hinterlegt werden müssen, wird mir ein Rätsel bleiben.
Das Haus gehört einer älteren Frau, die durchgehend Studenten beherbergt. Es können gleichzeitig bis zu sieben Studenten in dem Haus wohnen. Die Zimmer genügen auch den höchsten Ansprüchen. Ich hatte beispielsweise ein Doppelbett für mich und auch einen riesigen Schreibtisch mit einem extra, man höre und staune, Kühlschrank. Bis zu 4 Studenten teilen sich ein Bad bzw. die Küche. Das Haus ist in Molenbeek gelegen - dies ist eine der gefärhlichsten Gegenden in Brüssel das hat uns während unseres Aufenthalts allerdings nicht sonderlich beunruhigt. Es ist nahezu unmöglich etwas Günstigeres in dieser Qualität in Brüssel zu finden. Ich bin noch immer begeistert. Auch hier gab es eine Putzfrau :)
Grundätzlich sind die Lebenshaltungskosten ählich denen in Österreich. Womöglich benötigt man um durchschnittlich 10 % mehr Geld im Supermarkt. Deutlich teurer als in Österreich: Restaurantbesuche, Fleisch
Reisen: Die Lage von Belgien bzw. Brüssel erlaubt Städtereisen in einer enormen Vielfalt. Mit den Schnellzügen ist man beispielsweise in 90 min. in Paris, in zwei Stunden erreicht man London oder Amsterdam. Köln ist binnen 2,5 Stunden erreichbar. Diese zentrale Lage erlaubt es einem, die Wochenenden einfach in anderen Ländern zu verbringen. Auch innerhalb Belgiens funktioniert das Bahnsystem einwandfrei und vor allem billig. Bis zum 26. Lebensjahr kann man jede Fahrt, egal wie lange, um 5 € antreten. Die schönsten Städte waren allen voran Brügge, Gent und Antwerpen sind auch äußerst sehenswert.
Sport: Ich hatte das Glück, dass ich in zwei verschiedene Fußballgruppen gekommen bin, was mir meinen wöchentlichen Sport ermöglicht hat. Ein italienischer Kollege hat es sogar in ein Universitätsteam geschafft und Turniere für die K.U. Leuven gespielt. Es hat auch Leute gegeben, die sich mit einer Klettergruppe getroffen haben. Man muss ständig Leute fragen, E-mails schreiben und sich einfach kümmern, dann sollte sich für jeden etwas auftun.
Kultur: Belgien ist Gastgeber unterschiedlicher Festivals, allen voran das "Tomorrowland"-Festival. Unglücklicherweise ist es oft schwierig, an Tickets zu gelangen, da Festivals richtig populär sind und selbst die Einheimischen Probleme haben, Tickets zu organisieren. Ich konnte ein lokales Jazz-Festival besuchen, von dem ich sehr begeistert war. In Leuven gibt es außerdem ein internationales Kino, das ua. österreichische Filme gezeigt hat. Zufällig bin ich auch auf zwei Straßenfeste mit Musik gestoßen. Wenn man mit offenen Augen und vor allem Ohren durch die Städte wandert, gibt es immer was zu erleben.
Nachtleben: Leuven bietet alles, was es dazu braucht. Von Bowling bis Hardcore-Disco stand alles zur Verfügung.
Die Lehrveranstaltungen orientieren sich durchwegs an einem zentralen Thema "Europa", das bei der Konstellation von Studierenden aus 11 Nationen natürlich Sinn macht und ob des EU-Schwerpunkts des österreichischen Geographie-Lehrplans für mich persönlich auch einiges beinhaltete. Die Lehrveranstaltungen gliedern sich in sechs sogenannte KeyS. Die ersten fünf wurden mit jeweils vier ECTS-Punkten bewertet und können als Seminare bezeichnet werden. Der abschließende Key 6 beinhaltete die Praxis, die mit zehn ECTS-Punkten gewichtet wurde. Nachstehend werden die KeyS zusammenfassend beschrieben.
Key 1 'Communication, culture awareness and expression': Dieser Kurs beinhaltete einen dreitägigen Aufenthalt in einem ungeheizten Schloss in Wallonien. Dies war eine sehr große Herausforderung, da die Kälte einem wirklich zu schaffen machte. Des Weiteren waren eine Höhlentour, Landschaftskunstwerke und ein Orientierungslauf im Schneesturm Teil des Kurses. Ziel war das gegenseitige Kennenlernen in extremen Situationen. Der zweite Teil dieses Kurses beinhaltete das Kennenlernen verschiedener aktueller und vergangener Jugendkulturen und die möglichst kreative Präsentation einer der Bewegungen (Straight Edge, Punks, Hippies, Metal, etc.).
Key 2 'Diversity in/and education': Dieses Modul zielt auf das Herausfiltern von Gemeinsamkeiten und Unterschiedenen der verschiedenen Kursteilnehmer bzw. ihrer zukünftigen Berufsfelder ab. Die Untersuchung der unterschiedlichen Bildungssysteme der Herkunfsländer der Studierenden und deren Präsentation in verschiedensten Schulen waren die Hauptaufgaben. Eine Antwerpen-Exkursion und das Herstellen einer eigenen Zeitung bzw. eines "Museum in a box" waren auch Teil des Programms.
Key 3 'Social and cultural competences': Die Bandbreite dieses Kurses war enorm. Ein Hauptpunkt war eine zweitägige Exkursion nach Ypres, die hauptsächlich mit den beiden Weltkriegen zu tun hatte. Wir haben Nationalidentität mit der Idee des globalen Bürgers verglichen. Wir haben einen Blick auf Sprachen und Poesie geworfen und dabei speziell Bob Dylan untersucht. Wir haben die eigene Persönlichkeit untersucht und mittels "Enneagram" einem Typ zugeordnet. Wir haben die Theorien "Mimesis" und "Scapegoat mechanism" genauer untersucht und versucht herauszufinden, inwiefern diese Dinge im Schulalltag brauchbar sind. Den Abschluss dieses anspruchsvollen Moduls stellte eine eintägige Exkursion inkl. Stadtführung in Brügge dar.
Key 4 'KeyS for Europe in Education': Der Schwerpunkt in diesem Modul lag auf den "neuen" Medien. Wir haben mit Photoshop Bilder manipuliert. Wir haben die sozialen Netzwerke in Augenschein genommen. Wir haben mit "Jellycam" bzw. "Monkeyjam" Stop-Motion-Filme zum Thema Bullying hergestellt. Wir hatten vor den Arbeitsphasen mit den Computern Vorträge, die das Thema "Bullying" als große Herausforderung für angehende Lehrer darstellen sollten.
Key 5 'Teaching in Europe/Europe in teaching': Wir haben versucht, die Bildungssysteme auf verschiedene Ebenen zu analysieren. So war es Aufgabe zwischen Mikro-, Meso- und Makrolevel zu unterscheiden. Wir wurden über alle Möglichkeiten für den internationalen Austausch von Lehrerinnen bzw. SchülerInnen informiert. Wir konnten des Weiteren Programme kennenlernen, die zum Ziel haben, dass SchülerInnen unterschiedlicher Länder einfach zusammenarbeiten. Wir durften auch ein Projekt namens "mobile school" kennenlernen, das auf Entwicklungshilfe abzielt. Außerdem haben wir Schulbücher aus 12 unterschiedlichen europäischen Ländern untersucht und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede festgestellt. Mein persönlicher Höhepunkt in diesem Modul war der Besuch der ISB (International School of Brussels). Diese Schule war schlicht beeindruckend und weckte mein Interesse für ein internationales Praktikum.
Ein Vergleich zwischen dem Studium in Belgien und in Graz ist kaum möglich. Es ist nicht so, dass ich als Österreicher einfach an einer belgischen Universität studiert habe. Das ganze Semester hat einen eher europäischen Status. Diese Klasse war genauso belgisch wie auch finnisch oder spanisch. Das heißt, man hat bis auf die Räumlichkeiten keinerlei spezifisch belgische Eindrücke gewinnen können. Natürlich waren die meisten Professoren Belgier, allerdings war die Unterrichtssprache Englisch.
Im Zuge der IC13 (International Class 2013 Flanders) gab es keine einzige Prüfung. Sämtliche Kurse basierten auf Mitarbeit bzw. einer abschließenden Präsentation. Für eine Beurteilung waren mindestens 80 % Anwesenheit notwendig. Keiner der 33 Studierenden hat diese Marke unterschritten. Es stand immer im Vordergrund, was die einzelnen Teilnehmer für sich mit nach Hause nehmen wollten bzw. was sie vor Ort beitragen wollten - der positive Abschluss der einzelnen Kurse war im Grunde für alle Teilnehmenden möglich.
Nahezu alle Kurse beinhalteten Exkursionen verschiedener Länge, die den Aufenthalt bzw. das Kennenlernen des Landes deutlich vereinfachten. Lehrausgänge in dieser Form wären für den regulären Betrieb in Graz unmöglich.
Es gibt grundsätzlich einen "globaleren", eher integrativen Ansatz, was die Ausbildung der Lehrer betrifft. Es waren von Pre-school bis High-school alle Auszubildenden an denselben Projekten im Zuge der Kurse beteiligt. Es gibt ja international auch keine Unterscheidung in der Sekundarstufe I. So wurden alle ganz einfach als LehrerIn gesehen - es gab dabei keine Spezifikation auf irgendeine Altersgruppe. Alle sollten die Inhalte auf ihre Klientel anwenden können. Die abschließenden Praktika wurden allerdings auf die jeweilige Ausbildung ausgerichtet. So konnte ich 10-14jährige unterrichten.
In Vorselaar, wo wir vier Wochen lang Kurse hatten, war ein klar abgegrenzter Campus mit Mensa, Bibliothek, etc. vorzufinden, welchen man eigentlich mit den Gegebenheiten der PH in Graz vergleichen kann. Alle weiteren Kurse fanden in Leuven statt, wo es einige Zeit braucht, bis man sich zurecht findet. Jedes zweite Gebäude in dieser Stadt scheint zur Universität zu gehören und bis auf die Hauptbibliothek ist kein Gebäude von außen als Universitätsgebäude identifizierbar. Kleine blaue Täfelchen geben Auskunft über die Bestimmung der einzelnen Häuser. Nach ein paar Irrläufen findet man sich dann selbst in diesem Labyrinth aus mittelalterlichen Kirchen und Universitätsgebäuden zurecht.
Durch die verwirrende Konstellation, was die Organisation betrifft, erscheint am Beginn des Semesters einiges unklar. Ich konnte die letzten Unklarheiten tatsächlich erst in Belgien beseitigen. Vorab hätte es allerdings nur einiger Fragen meinerseits bedürft, um besser vorbereitet zu sein. Dementsprechend würde ich dies als Holschuld bezeichnen. Dennoch muss man sich einmal darüber im Klaren sein, dass man im Zuge dieser Form der Internationalen Erfahrung nicht nur einen Studienort auswählt. Dies ist von der Kooperation der belgischen Hochschulen in Flanders so gewünscht und dessen muss man sich ganz einfach im Vorhinein bewusst werden.
Die Kurse selbst hätten durchaus schwieriger sein können. Es war bei entsprechender Anwesenheit nicht sehr herausfordernd, die einzelnen Module positiv abzuschließen. Da die Organisatoren allerdings auch jenen Studierenden immer entgegenkamen, die schlechte Englischkenntnisse hatten, konnte ich das nachvollziehen. Es gab durchgehend die Möglichkeiten, mehr als das Geforderte zu machen, um höhere Scores zu erzielen.
Ich fand es außerordentlich spannend, viele verschiedene Orte in Belgien kennenzulernen. Dabei war diese Organisationsform sehr hilfreich, da wir nicht nur in Vorselaar, Leuven und Brüssel residierten, sondern auch verschiedenste Exkursionen unternahmen. Wir hatten die Teambuilding-Tage zu Beginn in Wallonien, eine zweitägige Exkursion nach Ypres, eine Schulbesichtigung im Süden von Brüssel und auch noch die Exkursion in das EU-Parlament. Die Gastinsitution hat sich dabei alle Mühe gegeben, ich persönlich habe im Hinblick auf meine zukünftigen Aufgaben als Geographie-Lehrer nur davon profitiert.
Zusammenfassend würde ich ausschließlich positiv resümieren, da ich meine persönlichen Ziele (Europa und dessen Bürger besser kennenlernen bzw. Englisch verbessern) erreicht habe und keinerlei gröbere Schwierigkeiten im Zuge der 4,5 Monate aufgetaucht sind.
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